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Unternehmensinsolvenz im Ausland

Inhalte aus AMT24 | Lebenslagen

Sie haben Forderungen gegenüber einem insolventen Unternehmen im Ausland? Oder steht Ihr Unternehmen mit Sitz im Ausland vor der Insolvenz?

Unterstützung und Beratung

Sollten Sie oder Ihr Unternehmen – als Gläubiger* oder Schuldner – von einer Insolvenz (in manchen Ländern "Konkurs") im Ausland betroffen sein, müssen Sie schnell reagieren. Treffen Sie dennoch keine übereilten Entscheidungen, misstrauen Sie zweifelhaften Angeboten und suchen Sie kompetente Beratung.

Erste Ansprechpartner finden Unternehmerinnen und Unternehmer in den

Die Informationen in Amt24 ersetzen keine Rechtsberatung. Ob Schuldner oder Gläubiger: Verzichten Sie nicht auf steuerrechtlichen und / oder juristischen Beistand. Für die grenzüberschreitende Suche nach fachlich spezialisierten Steuerberatern und Rechtsanwälten gibt es gute Recherchemöglichkeiten im Internet (siehe juristische Beratung/ Vertretung).

*) Um verständlich zu bleiben, beschränken wir uns auf die verallgemeinernden Personenbezeichnungen, sie beziehen sich immer auf jedes Geschlecht – die Redaktion

"Insolvenztourismus"

Dubiose Firmen bieten – vielfach auch im Internet – eine "Turbo-Insolvenzabwicklung" in anderen EU-Staaten an, mit der unterschiedliche Insolvenzregelungen der EU-Länder ausgenutzt werden. Trotz EU-weit liberalisiertem Insolvenzrecht kann vor solchen Praktiken nur gewarnt werden.

Schon im Hinblick auf Kosten, Sprach- und Rechtsschwierigkeiten ist der Aufwand, anders als vielfach behauptet, alles andere als unerheblich. Betroffene Unternehmer oder Unternehmerinnen und Verbraucher stehen schnell vor einer Kette unabsehbarer Folgen und geraten unversehens in die Illegalität.

Insolvenz innerhalb der EU

Seit 2002 bildet die Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO) den rechtlichen Rahmen für grenzüberschreitende Insolvenzen in den EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Dänemark.

Die Verordnung bestimmt, welche Gerichte für das Verfahren zuständig sind und welches Recht anwendbar ist. Dabei wird unterschieden zwischen dem Hauptinsolvenzverfahren, das in dem Mitgliedstaat eröffnet wird, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, und dem Sekundärinsolvenzverfahren, das in Mitgliedstaaten eröffnet werden kann, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat und sich auf das dort belegende Vermögen beschränkt. Für das Insolvenzverfahren gilt grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird. Die Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und entfalten dort regelmäßig dieselben Wirkungen wie in dem Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung. Auch der Insolvenzverwalter kann in allen Mitgliedstaaten tätig werden.

Welche Voraussetzungen ganz konkret für eine Insolvenz bestehen, wie ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und abläuft, wird ausschließlich durch die Gesetze der einzelnen Mitgliedsstaaten bestimmt. Die EuInsVO enthält zudem Sonderregelungen zur Wirkung des Insolvenzverfahrens und dem anwendbaren Recht, zum Beispiel zu dinglichen Sicherungsrechten oder Arbeitsverträgen. Umso mehr stellt sich jede Insolvenz als Einzelfall dar, für den rechtliche und steuerrechtliche Beratung angeraten ist.

Wie gehen Sie gegen Schuldner vor?

Vor der Einleitung eines Insolvenzverfahrens erleichtern es verschiedene Regelungen Unternehmen, Forderungen innerhalb der EU geltend zu machen. Seit 2007 gibt es ein Verfahren zum Anmahnen geringfügiger Forderungen (EuBagVVO). Kleinere Geldforderungen lassen sich im europäischen Ausland somit auch ohne aufwändige Gerichtsverhandlungen eintreiben.

Weitere Informationen:

Dem Schuldner wird vielfach vor dem Insolvenzverfahren noch die Chance eines Vergleiches mit den Gläubigern eingeräumt.

Waren Mahnungen und Vergleichsversuche erfolglos, steht der Weg des Insolvenzverfahrens gegen das betreffende Unternehmen oder die Privatperson offen. Allerdings können Sie Ihre Forderungen dann nicht mehr im Zuge von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen das Unternehmen geltend machen – das schuldnerische Vermögen wird im Verfahren geschützt, um die Gläubiger gleichzubehandeln.

Insolvenzeröffnung – wie und wo?

Wenn Sie wegen Zahlungsunfähigkeit Ihres eigenen Unternehmens oder als Gläubiger eines verschuldeten Unternehmens in einem anderen EU-Staat Insolvenz beantragen müssen, wenden Sie sich – in aller Regel über Ihre anwaltliche Vertretung – an das zuständige Insolvenzgericht des jeweiligen Mitgliedstaats.

Antragstellung

Den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen Sie bei dem Gericht, in dessen Gebiet "der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat" (EuInsVO). Das ist regelmäßig

  • bei natürlichen Personen der Wohnsitz oder Ort des gewöhnlichen Aufenthalts,
  • bei juristischen Personen (zum Beispiel AG, GmbH, Verein, Stiftung) der satzungsgemäße Sitz.

Allgemein ist ein schriftlicher Antrag erforderlich, aus dem die konkreten Forderungen hervorgehen (belegt durch Rechnungen, Vollstreckungstitel, Schuldanerkenntnis und anderes) – bei einem Eigenantrag des Schuldners der Insolvenzgrund. Mitunter kann auch eine elektronische Antragstellung möglich sein, wobei hier – wie im deutschen Recht – elektronische Post oftmals mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein muss.

Einzelheiten des Verfahrens, zu Fristen und Formalitäten regelt das jeweilige Landesrecht (siehe Rechtsgrundlagen).

Neben dem Hauptinsolvenzverfahren kann gegebenenfalls ein weiteres Insolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet werden. Voraussetzung ist stets, dass der Schuldner in diesem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung hat. Die Wirkung dieses Insolvenzverfahrens ist auf das in dem Mitgliedstaat belegende Vermögen beschränkt.

Beispiel:

Über das Vermögen der XY Limited wurde in London (GB) das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet. Da die Gesellschaft unter anderem Vermögen in Form von Grundbesitz in der Bundesrepublik hat, beantragt ein Gläubiger der Gesellschaft die Eröffnung des Sekundärverfahrens, beschränkt auf das in der Bundesrepublik vorhandene Vermögen der Gesellschaft.

Für ein Sekundärverfahren gilt das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Teilverfahren eingeleitet wurde. Die Gerichte setzen Insolvenzverwalter ein, die verpflichtet sind, sich fortlaufend untereinander abzustimmen.

Wie erfahren Gläubiger von einer Insolvenz?

Sobald in einem Mitgliedsstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, an dem Gläubiger aus der EU beteiligt sind, erhalten diese unverzüglich eine Benachrichtigung vom eingesetzten Insolvenzverwalter. Das geschieht zwingend mit einem Formblatt, das in sämtlichen Amtssprachen der Organe der Europäischen Union mit den Worten beginnt: "Aufforderung zur Anmeldung einer Forderung. Etwaige Fristen beachten."

Freigabevermerk

Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung. 30.10.2023